Vorwort
Das Ende des Replay-TV betrifft mich selber nicht. Meine Infrastruktur und mein Medienkonsum funktionieren längst unabhängig von solchen Entscheidungen.

Replay-TV – Das Aus für den Videorecorder

Rund 40 Jahre nach der Einführung des VHS-Videorecorders entdeckt die Politik ein Thema für sich: Das Ende des Replay-TV.

Die jungen Leser werden sich wohl an den VHS-Recorder nicht mehr erinnern: Das Gerät musste teuer angeschafft, programmiert und mit den Kanälen des TV-Geräts synchronisiert werden. Das Aufzeichnen von TV-Sendungen war im Vergleich zu heute sehr aufwändig. Recht häufig musste eine gelernte Fachperson gegen Gebühr als Hilfe beigezogen werden. Diese musste die Anleitungen der Geräte – meist in deutscher Sprache – lesen und verstehen können. Zudem musste man sich Magnetbänder in Form von Videokassetten beschaffen. Diese gab es erst nur in Radio- und TV-Geschäften, später in jedem Supermarkt.

Wer den Aufwand nicht scheute, konnte legal Sendungen lange auf Magnetbändern konservieren und immer wieder nach Lust und Laune betrachten. Die Kassetten konnten wie Panini-Bilder legal getauscht werden.

Diesen Mehrwert bietet Replay-TV freilich nicht: das zeitversetzte Fernseherlebnis ist nur für eine limitierte Zeit verfügbar. Die Sendungen können nicht wie früher ausgetauscht werden.

Natürlich bieten die Provider Boxen an, auf denen man Filme speichern könnte. Dank nicht standardisierten Technologien wie CI+ kann der Anbieter aufgezeichnete Sendungen automatisch und ohne Vorwarnung auf dem Geräten wieder löschen. Er kann das Vorspulen einer Sendung verhindern. Diese Einschränkungen werden als Innovation verkauft. Sie sind aber eher eine Innovation die Kabel- und Netzbetreiber sowie für die TV-Kanäle und helfen diesen den Konsumenten an der kurzen Leine zu halten. Ein Mehrwert für die Endkonsumenten bleibt aus.

Der Niedergang des klassischen TV

Das Ende das Replay-TV bedeutet vermutlich nicht nur den Niedergang des klassischen Video-Recorders, wie mein Titel vermuten lässt.
Es bedeutet vermutlich auch den Niedergang des klassischen TV.

Die Killerargumente

Was bei der NoBillag und Geldspielabstimmung bereits funktioniert hat, könnte sich dieses Jahr zum dritten Mal wiederholen.

Ohne ein «Verbot für Replay-TV»:

  • werden Radio- und TV-Sendern sterben
  • wird die Pressefreiheit zerstört
  • werden Medienmonopole wie «Blocher-Medien» gefördert
  • wird Sport, Kultur und AHV geschwächt
  • werden Mittel für die Gemeinnützigkeit vernichtet
  • gehen wichtige Werbeeinnahmen verloren

Es bleibt Ihnen überlassen, dieser Angstmacherei Glauben zu schenken. Ich halte sie für Humbug. Der Wandel kommt und er lässt sich nicht durch Verbote aufhalten.

Sie als Konsument werden angehalten, TV wie anno 1950 zu konsumieren (Videorekorder gibt es seit den 1960er-Jahren). Der Konsument soll vor dem masslosen Überkonsum geschützt werden. Es wird zudem bereits jetzt behauptet, dass die Gratis-Mentalität alles zerstöre.

Die «Gratis-Gesellschaft» schlägt zurück

Für das Grundangebot bezahlt der Konsument locker CHF 298.20 pro Jahr. Jede Mehrleistung wird separat verrechnet. Die Gebühr für den Fernsehempfang (aktuell noch Billag) beträgt nochmals CHF 286.10. Das heisst: In der Minimalkonfiguration kostet der Konsum CHF 575.30 pro Jahr. Für Free-TV, wohlgemerkt.

Jedes Extra wird separat oder als Paket verrechnet. Betrachtet man Sendungen einer Holding aus Deutschland, gibt es alle 10-20 Minuten Werbeunterbrechungen. Filme werden nicht an den definierten Sollbruchstellen mit Werbung unterbrochen, sondern irgendwo. Und im besten Fall wird der Film 2 Minuten vor der letzten Werbeunterbrechung wieder fortgesetzt.

Im Grundangebot gibt es TV-Sender, die praktisch den ganzen Tag Werbung ausstrahlen. Sie können 24 Stunden Teleshoppen. Von TV-Genuss kann nicht mehr die Rede sein. Die Filme ziehen sich unnötig und unendlich in die Länge.

Überhaupt von einer Gratis-Gesellschaft zu reden, ist ein Hohn. Während vielen Jahren wurde der Konsument schamlos ausgenommen. Konzerngewinne wurden lieber in masslose Boni investiert statt in Innovationen für die Medienhäuser. Es wird behauptet, man habe reife Konsumenten; trotzdem will man diese für dumm verkaufen. Wir erleben lediglich, was man von reifen Konsumenten erwarten darf:

Die «Gratis-Gesellschaft» schlägt zurück – und wendet sich ab.

Die Digitalisierung mit ihren Veränderungen kommt

Der Eine oder andere Angestellte dieser Medienhäuser – welche offensichtlich Lobby bezüglich dem Ende von Replay-TV betreiben – dürfte noch nicht auf der Welt gewesen sein, als die Videokassette eingeführt wurde. Der Chef von einem der grössten Medienunternehmen dürfte mit Jahrgang 1980 mitten im VHS-Zeitalter aufgewachsen sein und könnte daher als «Video Nativ» bezeichnet werden.

Es ist keineswegs so, dass den Gegnern von Replay-TV die Bewegung der aufgezeichneten Sendung inklusive ihren Auswirkungen gänzlich unbekannt wäre. Blöderweise wurden die Geschäftsmodelle auf Technologien vor den 1960er-Jahren ausgerichtet. Man konnte gut Geld damit verdienen; hat dieses Geld aber nicht in die Technologien der Zukunft investiert.

Daher kommt es, dass Firmen plötzlich mit folgenden werbefreien Angeboten aufwarten:

  • Serien bis zum Umfallen: $ 131.88 pro Jahr
  • Filme bis zum Umfallen: € 71.88 pro Jahr

Was vergessen wurde: Kein Mensch braucht TV-Sender. Das Grundbedürfnis ist Information und Unterhaltung.

Gesamthaft ist dieses Bündel günstiger als das Grundangebot mit Werbeunterbrechung und erst noch werbefrei. Ein Aus für Replay-TV bedeutet somit ein beschleunigtes Ende des klassischen TV. Sind komfortable und benutzerfreundliche Angebote günstiger als die antiken mit Werbung überfüllten Klassiker, wird das wohl den Einen oder Anderen zum Umsteigen auf Alternativen bewegen. Spätestens bei der nächsten Krise wird sich der Konsument überlegen müssen, wo er Geld einsparen kann.

Loyalität muss man sich verdienen; man hat sie sich verspielt. Ein Umstieg der Konsumenten bedeutet der langsame Tod der klassischen Kanäle.

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