#Agile
Thomas Verasani
Favicon: Kompassnadel in turbulenten Zeiten

Messen von Verhaltensmustern

Verhaltensmuster

Der Autor hat gemäss automatischer Analyse von diesem Text folgendes Verhaltensmuster:

  • Menschen, die diese Sprache nutzen, haben ein Alter von: 22 Jahren
  • Psychologisches Geschlecht des Autors: Mann (Zuverlässigkeit: 72%)
  • Offenheit: Liberal und künstlerisch (Häufiger als 51% der Bevölkerung)
  • Gewissenhaftigkeit: Impulsiv und spontan (Häufiger als 58% der Bevölkerung)
  • Extraversion: Nachdenklich (Häufiger als 64% der Bevölkerung)
  • Verträglichkeit: Wettbewerbsfähig (Häufiger als 65% der Bevölkerung)
  • Neurotizismus/Emotionale Stabilität: Leicht gestresst und emotional (Häufiger als 55% der Bevölkerung)
  • Führungspotentzial: Die Persönlichkeit ist zu 42% ähnlich wie die einer Führungspersönlichkeit
  • „Psychologischer Typ“ nach C. G. Jung: I= Introvertiert, S = Sinneswahrnehmung, T= Analytisch, P = Wahrnehmend (Mehr Infos)

Die Trefferquote dieser Analyse ist nicht sonderlich hoch. Mit diesem Text bewege ich mich in etwa im Rahmen der Verhaltensmuster von Politikern oder Journalisten. Immerhin hat die Maschine mein Geschlecht erraten.

Sich Überwachung vorstellen

Wer sich vorstellt, «Überwachung» reagiert erst, wenn er dreimal einen komischen Begriff in eine Suchmaschine eingibt, stellt sich das Thema romantisch vor. Der Staat verfolgt nicht live Ihre Tippeingaben am Computer. Der personelle Aufwand dafür wäre zu gross und diese Methode wäre zu ineffizient. Überwachung funktioniert nicht wie im Film «Beetlejuice»: Überwachung aktiviert sich nicht erst nach dreimaligem Aufruf von komischen Begriffen automatisch. Überwachung funktioniert eher wie im Film «Minority Report».

Wo sich Überwachung aufhält

Es spielt keine Rolle, was Sie gerade machen: Sie werden ausgewertet und vermessen. Gemessen werden sogenannte «Patterns of life» – Verhaltensmuster. Was sagt ihr letzter Tweet bezüglich Ihrem Intelligenzquotienten aus? Sind Sie gemäss ihrem Facebook-Profil depressiv? Was lässt sich aus ihrem letzten Leserbrief oder Blogeintrag ableiten? Sind Sie gemäss Textanalyse geeignet als Führungsperson?

Solche Analysen werden automatisch durchgeführt und sind (teilweise) frei zugänglich. Wo sie nicht frei zugänglich sind, werden sie gehackt. Gemessen wird beispielsweise Ihr Schreibstil, Ihre Musikpräferenz oder Ihre Kontakte (z.B. Anzahl und deren Qualität).

Diese Maschinen machen Auswertungen wie: «Wenn Menschen eher Bands wie «Metallica» oder «Pink Floyd» hören, sind sie zwar liberal, aber weniger intelligent, als wenn Sie zum Vergleich etwas anderes hören würden.» Was denken Sie? Würde Sie das Hören von einer Band wie «Red Hot Chili Peppers» intelligenter machen? Gemäss der Maschine soll dies tatsächlich der Fall sein.

Konkret bedeutet das bei diesem Beispiel: Ihre politische Einstellung wird mit dem Intelligenzquotienten in Verbindung gesetzt.

Das mag Sie als Leser bis zu diesem Abschnitt nicht stören – solange Sie keinen Nachteil daraus ziehen.

Bewerbungsschreiben: unnötig

Was, wenn Ihnen jemand sagen würde, dass er Ihr Bewerbungsschreiben oder Ihren Lebenslauf nicht braucht? Die Recruiting-Maschine wertet von ihrem Facebook-Profil aus, ob Sie für den Job geeignet sind. Ihre Skills oder ihre tatsächliche Persönlichkeit ist nicht mehr relevant.

Ach: Sie wollen auf ihrem Facebook-Profil nicht alle Angaben angeben? Pech, wenn die Maschine Sie daher nicht für den Job berücksichtigt.

Stellen wir uns eine Kreditvergabe bei einer Bank vor, die Ihre Kreditwürdigkeit anhand Ihrer Profil-Freunde und deren «Qualität» prüft. Würden Sie sich mit einem behinderten Menschen auf Facebook befreunden wollen und was Sie sich fragen könnten: Kann ein solcher Mensch ihr Rating abwerten?

Sie wollen eine Reise in die USA unternehmen und erfahren vor Ort: „Leider nein, ihr letzter Tweet deckt nach unseren Analysen unterdrückte Aggressionen auf.“ Und dabei hatte der Tweet keinen politischen Zusammenhang.

Nun mag es sein, dass Sie soziale Medien (noch) nicht nutzen. Das macht nichts: Gemäss dem «Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs» (Bezeichnung wie auf der Homepage) sind Post und Telecom-Firmen schon seit längerem damit beauftragt, Metadaten zur Kommunikation der Teilnehmer zu sammeln und «bei Bedarf» den Behörden auszuliefern. Auch die Daten von Ihnen.

Nach dem «Bundesgesetz über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung» werden ihre Finanz-Transaktionen automatisch auf Ungewöhnlichkeiten geprüft. Ausserdem werden Sie laufend mit Listen von Verdächtigen abgeglichen. Sie merken von der Überwachung meist nichts; ausser… tja…, wenn es technische Störungen gibt die nur ihre Person betreffen. Oft Softwarefehler in der Überwachungssoftware, welche sämtliche Zahlungen stoppen kann.

Kampf dem Terrorismus

Ich höre regelmässig, dass Überwachung OK ist, da man diese nur gegen die Bekämpfung von Terrorismus verwendet. Überwachung ist angeblich die einzige Methode, Terrorismus zu bekämpfen.

Das Messen von Verhaltensmustern ist eine moderne Art von Überwachung: Wenn man nur genügend Daten sammelt, soll man Ihr künftiges Verhalten voraussagen können. Es wird versprochen, dass es dank Überwachung künftig keinen Terrorismus mehr geben wird.

Ich persönlich glaube eher daran, dass durch die Bekämpfung des Terrorismus mit Überwachung der Terrorismus nur stärker wird. Dies begründe ich wie folgt:

  • Wer stärker überwacht wird, wird sich stärker davor schützen.
  • Fehlen diesen Organisationen geschulte Mitarbeiter, werden sie diese selber ausbilden.
  • Auffällig sind nur Personen, die nicht wissen, wie sie sich verhalten müssen.

Viele Terroranschläge haben gezeigt, dass die Personen sehr wohl zuvor auffällig waren und verhaftet wurden. Ihre Kommunikation war nicht mal verschlüsselt. Man musste sie wieder frei lassen, da noch nichts passiert ist. Wer nun denkt, dass der Staat dies nicht hätte machen sollen, darf nicht vergessen, dass der Staat gegen Menschenrechte verstossen würde, wenn er hier willkürlich vorgehen würde. Und staatliche Willkür würde uns alle treffen – auch Sie. Man könnte sich eine Welt wie die Stasi-DDR oder ein Nazi-Deutschland vorstellen.

Der eigentliche Terror ist somit nicht die Überwachung, sondern die damit verbundenen Massnahmen wie:

  • Reisebeschränkungen
  • Pauschalverdächtigung (Überwacht werden alle)
  • Fehlentscheide (Überwachung kann mit den Jahren eine Genauigkeit wie Wetterprognosen erhalten: 75%-90%. 10%-25% der Personen, welche durch einen Alarm auffallen werden somit als Kollateralschaden Nachteile erfahren).

Als weitere Nachteile werden wir wohl mit Bestrebungen leben müssen, welche unsere Freiheit laufend einschränkt. Bargeldverbot, Verbot von Goldbesitz, Burkaverbot oder sonstige radikale Ideen.

Digitale Elite

Als Elite bezeichnet man eine Auslese darstellende Gruppe von Menschen mit besonderen Fähigkeiten/Wissen. Als digitale Elite kann man eine Menschengruppe bezeichnen, die z.B. über folgende Fähigkeiten verfügen wird:

  • ein (Online-)Image erarbeiten
  • eigene Kommunikation absichern
  • sich bei Bedarf anonym (im Internet) bewegen
  • eigene Geräte/Infrastruktur absichern
  • Fähigkeit, um sich Vorteile gegenüber der Masse/dem Durchschnittsbürger zu erarbeiten
  • können sich auf «Fehlalarme» adäquat vorbereiten

Um sich in dieser Elite bewegen zu können, muss man die Technologien kennen und nutzen. Die Frage ist: Gehören Sie (oder ihre gewählten Politiker) zu dieser Elite? Können Sie digitale Gefahren beurteilen? Können Sie die Wirksamkeit von Überwachungstechnologien beurteilen? Sie müssten es können, wenn Politiker in der Schweiz Gesetze entwerfen, um über 8 Mio. Bevölkerung zu überwachen.

Scheinsicherheit

Ich behaupte nicht, dass man dank dieser Art von Überwachung nicht einzelne Terroranschläge verhindern könnte. Ich finde, diese Art von Auswertung und Überwachung ist sehr fehleranfällig. Wir bezahlen den Preis mit unserer Freiheit. Die Welt wird nicht durch Überwachung sicherer. Mittel- bis langfristig werden wohl Terroranschläge erfolgen, die grösser und heftiger sein werden als alles bisher dagewesene. Dies wird den Wunsch nach noch mehr Überwachung steigern. Leider wird das nicht viel nutzen: Wir werden künftiges Verhalten nicht zuverlässig und zu 100% genau voraussagen können.

  • Einerseits werden sich die Leute verdeckt halten können.
  • Andererseits werden viele Fehlalarme Unschuldige treffen.

Vergleichen wir diese Modelle mit Modellen aus der Wirtschaft- und Finanzindustrie, können wir folgende lernen: Die Zahl der Rezessionen ist in den letzten Jahren tatsächlich verringert worden (von 35% auf 5%). Dafür sind die Finanzkrisen heftiger geworden.

Nun ersetzen Sie das Wort Rezessionen durch Terroranschläge und das Wort Finanzkrisen durch Schäden und Sie erhalten das künftige Überwachungsmodell.

Es gibt keine einfache Lösung, um Terror zu bekämpfen. Überwachung ist ein Irrweg, aus dem wir kaum mehr heraus finden werden. Wir brauchen Politiker, denen die digitale Welt nicht fremd ist und die erkennen, ob Lösungen nachhaltig, wirkungslos oder gar gefährlich sind. Reden wir Klartext: Es gibt aktuell keine schnelle, wirksame Lösung, um Terror aus der Welt zu schaffen. Leider.

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